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NPO-MANAGEMENT

1.2

Nonprofit-Organisationen (NPO): eine kurze Geschichte

Vor einiger Zeit wurde im Radio gefragt, was die älteste NPO der Schweiz wäre? Die gesuchte Antwort war die katholische Kirche. Daran lässt sich schon erkennen, dass die Definition der NPO schwierig ist.

Was ist überhaupt eine NPO? Eine mögliche, sehr breit gefasste Definition bekommen wir über das Ausschlussverfahren: NPO sind weder marktorientiert, noch gehören sie direkt zur staatlichen Organisation. Mit dieser breiten Definition wäre aber selbst die Kirche eine NPO. Etwas spezifischer wird es, wenn man auch Fragen nach der inneren Organisation, der Finanzierung und den Tätigkeitsbereichen von NPO stellt.

Die international bekannteste Definition nennt fünf Kriterien, die eine NPO erfüllen muss (Salamon/ Anheier 1992):

Non-Profit-Organisationen ­ sind private Organisationen; ­ haben ein Mindestmass an formaler Organisation; ­ sind weitgehend selbstbestimmte Organisationen; ­ dürfen keine Gewinne an Mitglieder oder andere Gruppen ausschütten; ­* verfügen über freiwillige Mitarbeitende.


Die Entstehung der modernen NPO

Nimmt man diese Definition als Grundlage, dann beginnt die Geschichte der NPO nur kurz vor der Entstehung des modernen Bundesstaats der Schweiz und ist eng mit den Ideen der Aufklärung verbunden. So bildeten sich zum Ende des 18. Jahrhunderts in mehreren Städten sogenannte Hilfsgesellschaften, die sich zum Ziel setzten, getreu dem aufklärerischen Ziel des Strebens nach Glück, allen Bürgerinnen und Bürgern der Stadt ein besseres Leben zu ermöglichen. Am bekanntesten sind wohl die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft von 1810 und die Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige in Basel von 1777. Beide haben im Lauf der Jahrzehnte wichtige soziale und erzieherische Institutionen begründet. Dazu zählen Schulen, Bibliotheken, Kindergärten, Pflegeeinrichtungen, aber auch Banken und Versicherungen.


Verschiedene Rechtsformen

In der sich im 19. Jahrhundert bildenden Bürgergesellschaft entstanden die Grundformen vieler heutiger NPO: neben den Organisationen für soziale Belange auch Sport- und Kulturvereine, Stiftungen zur Finanzierung gesellschaftlicher Anliegen sowie Genossenschaften als Hilfe zur Selbsthilfe (z. B. Landi oder Raiffeisenbanken). Heute gibt es NPO nicht nur in den Rechtsformen Verein, Stiftung, Genossenschaft, sondern vermehrt auch als gemeinnützige GmbH oder AG (von Schnurbein 2022).


Die Entwicklung der NPO über die Zeit

Selbstverständlich ist es schwierig und sehr verallgemeinernd, wenn man versucht, die Entwicklung eines so vielfältigen Sektors in unterschiedliche Phasen einzuteilen. Am ehesten lässt sich dies – wenn überhaupt – in Abhängigkeit zur Entwicklung des Staatswesens erklären. Hier soll versucht werden, die Entwicklung der NPO seit der Entstehung des modernen Bundesstaats in vier Phasen zu beschreiben.


Staatsferne Entstehung (ca. 1800–1860)

Die ersten NPO entstanden ab dem Beginn des 19. Jahrhunderts aus der Bürgergesellschaft heraus zur Organisation der eigenen Aktivitäten (Sportvereine, Kulturvereine, Chöre etc.) oder zur Unterstützung der armen Bevölkerung (Hilfsgesellschaften, Waisenheime, Pflegeeinrichtungen). Treibende Kräfte waren meist Personen aus dem gehobenen Bürgertum sowie Pfarrer, Priester und Nonnen. Da viele soziale Verpflichtungen damals in der Regel durch die Familie oder die Kirche getragen wurden, spielten staatliche Institutionen keine Rolle bei der Gründung und Entwicklung dieser Organisationen. Die Finanzierung wurde durch Spenden, Mitgliederbeiträge, Stiftungen oder die Kirche geregelt.


Parastaatliche Phase (1860–1920)

Während sich das Staatswesen entwickelte, insbesondere ab der Gründung des modernen Bundesstaates 1848, entstanden gerade im sozialen und kulturellen Bereich immer grössere NPO, die längst nicht mehr nur auf lokaler Ebene agierten, sondern durch Zusammenschlüsse und Bildung von Verbänden eine national und international tragende Rolle spielten. Das 1863 gegründete Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) ist wohl das bekannteste Beispiel einer Organisation, die sich nicht mit bürgerlichem Engagement zufriedengab, sondern dazu beitrug, die Staaten zur Schaffung neuer Gesetze und humanitärer Standards zu bewegen. Im Sozialbereich wirkten die Organisationen darauf hin, dass sich das Staatswesen an den zunehmend steigenden Kosten zur Bewältigung der gesellschaftlichen Folgen der Industrialisierung beteiligte. Noch aber blieben die meisten Aufgaben in der Hand der privaten Organisationen, die damit auch Standards der sozialen Betreuung oder in der Bildung setzten. In Frankreich etwa schuf die amerikanische Rockefeller Foundation nach dem Ersten Weltkrieg eine Organisation zur Steigerung der Gesundheitsstandards. Daraus ging später das französische Gesundheitsministerium hervor.


Staatsbeeinflussende Phase (ab 1990)

Die letzten drei Jahrzehnte lassen sich als ein goldenes Zeitalter der NPO bezeichnen. Nie gab es mehr finanzielle Mittel sowie mehr und besser ausgebildete Mitarbeitende für NPO. Dementsprechend hat sich die Zahl der NPO in dieser Zeit auch rasant nach oben entwickelt. Dadurch hat sich aber auch das Verhältnis zum Staat verändert. Einerseits wurde durch das Aufkommen des New Public Managements das Verhältnis in der Leistungserbringung professionalisiert, andererseits nehmen NPO zunehmend Einfluss auf die staatliche Willensbildung. Gerade in den letzten zehn Jahren haben sich die Aktivitäten von NPO in den Bereichen von Lobbying und Advocacy intensiviert. Schliesslich kann durch eine Beeinflussung der Verteilung der Staatsfinanzen viel mehr erreicht werden als durch die im Verhältnis dazu geringen privaten Spendenaufkommen.

Non-Profit-Organisationen haben nicht bloss eine eigene Geschichte. Auch ihre Erforschung reicht weiter zurück. Lesen Sie dazu den kurzen Artikel von Georg von Schnurbein, den Sie auch unten zum Download finden.


Weiterführende Literatur und Referenzen

Helmig, Bernd/Bärlocher, Christoph/von Schnurbein, Georg (2010): Grundlagen und Abgrenzungen, in: Helmig, Bernd/Lichtsteiner, Hans/Gmür, Markus (Hrsg.): Der Dritte Sektor der Schweiz, Bern, S. 15–40

von Schnurbein, G. (2022). Der Nonprofit-Sektor in der Schweiz. In: Meyer, M., Simsa, R., & Badelt, Ch. (Hrsg.), Handbuch der Nonprofit-Organisation, 6. Aufl. (S. 59-76). Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag.

Salamon, Lester/ Anheier, Helmut K. (1992): In Search of the Nonprofit Sector I: The Question of Definitions, Voluntas, 3(2), S. 125-151

Autor: Georg von Schnurbein

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Copyright CEPS, Universität Basel

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