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MARKTMODELLE UND WERTSCHÖPFUNG

3.5

NPO als Plattformen

In der Wirtschaft gibt es viele Beispiele erfolgreicher Plattform-Konzepte. Man spricht dabei auch von der «two-sided market»-Theorie.

Dieser Theorie nach verbindet ein Plattform-Unternehmen zwei Märkte, die sonst nicht unmittelbar oder ähnlich effizient miteinander kooperieren könnten. Ein typisches Beispiel sind Kreditkartenanbieter. Das Geschäftsmodell basiert darauf, dass es auf der einen Seite eine grosse Anzahl von Läden und Verkaufsstellen gibt und auf der anderen Seite eine grosse Anzahl an Kunden. Alle Zahlungen mit Bargeld zu begleichen, ist aufwendig, kompliziert und vor allem auch für die Verkaufsstellen verhältnismässig teuer (weil man immer ausreichend Barmittel vorrätig halten muss und diese entsprechend schützen muss). Gleichzeitig gibt es kaum eine ähnlich vertrauenswürdige und breit akzeptierte Lösung. Die Kreditkartenanbieter schliessen diese Lücke, indem sie eine Plattform für Zahlungsverkehr schaffen, bei der sie gegenüber den Verkaufsstellen für die Zahlungsfähigkeit der Kunden garantieren und gegenüber den Kunden eine breite Akzeptanz in vielen Verkaufsstellen sicherstellen. Beide Seiten profitieren von der Existenz der Plattform. Das Plattformunternehmen wiederum ist vor allem dann erfolgreich, wenn es ihm gelingt, zumindest auf einem Markt eine sehr dominante Stellung einzunehmen. Nur dann funktionieren die Grösseneffekte der Plattform tatsächlich. Wenn es nämlich zu wenig Verkaufsstellen oder zu wenig Kunden gäbe, wäre die Plattform für die jeweils andere Gruppe nicht mehr interessant. Mit dem Aufkommen der Internet-Ökonomie haben Plattform-Geschäftsmodelle eine ganz neue Bedeutung gewonnen. Ebay, Facebook, Uber, Airbnb sind alles Plattform-Unternehmen. Aber wie lässt sich diese Theorie auf NPO übertragen?


NPO-Beispiele für Plattform-Konzepte

In einer NPO gibt es ebenfalls verschiedene Interessengruppen, die ohne die Existenz der NPO nur schwierig zueinander finden würden. Für Spenderinnen und Spender ist es schwierig, eigene Projekte in Entwicklungsländern zu finden und dann genug Geld aufzubringen, um diese gut zu finanzieren. Mitglieder eines Fussballvereins werden ohne die Organisation einer Liga durch den Verband nicht zu einem anspruchsvollen Wettbewerb mit anderen Mannschaften finden. Zwei grundsätzlich verschiedene Beispiele zeigen, wie NPO als Plattformen erfolgreich funktionieren:

Impact Hub in Birmingham

Wikimedia UK AGM – Impact Hub Birmingham 9 July 2016 03, Wiki commons, Jwslubbock, CC-BY-SA-4.0


Amnesty International

Amnesty International setzt sich für Menschenrechte weltweit ein. Ein wichtiges Thema war dabei seit jeher der Einsatz für Menschen, die zu Unrecht oder aus politischen (und anderen) Gründen im Gefängnis sitzen. Dafür mobilisiert Amnesty International Unterstützer, die Briefe und E-Mails schreiben oder sich an Petitionen beteiligen. Dabei ist einleuchtend, dass nur eine ausreichend grosse Anzahl an Unterstützern tatsächlich eine Chance auf Wirkung hat. Gleichzeitig ist es für viele Menschen eine einfache und unkomplizierte Art, sich für politisch Gefangene einzusetzen.


Impact Hub

Die Idee des Impact Hubs ist es, eine Community rund um das Thema «soziales und nachhaltiges Wirtschaften» aufzubauen. Für diese Community bietet der Impact Hub einen Ort, um zu arbeiten, sich auszutauschen und zu netzwerken. Der Erfolg des Impact Hub hängt nun davon ab, wie attraktiv die Menschen in der Community untereinander sind. Auf der einen Seite gibt es Menschen mit innovativen Ideen für Social Business, auf der anderen Seite gibt es Menschen, die ihre Erfahrung in spezifischen Fachbereichen teilen wollen. Beide Gruppen müssen in ausreichender Zahl in der Community sein, damit ein fruchtbarer Austausch entstehen kann.


Was können NPO vom Plattform-Konzept lernen?

Nicht jede NPO ist automatisch eine Plattform. Aber es ist hilfreich, die Grundlagen der Theorie einmal auf die eigene NPO anzuwenden und daraus ggf. für die eigene Leistungserstellung zu lernen.

  1. Wer sind die zentralen Interessengruppen?
    Die meisten NPO haben mindestens zwei wichtige Interessengruppen: die Leistungsempfänger:innen und die Geldgeber:innen (vielleicht gibt es auch noch weitere Gruppen). Die Frage stellt sich nun, welchen Austausch an Interessen die NPO bietet, die ohne sie weniger gut stattfinden würde.
  2. Wo besteht eine dominante Rolle der NPO?
    Als Plattform profitiert eine NPO davon, dass sie für mindestens eine Gruppe eine dominante Rolle spielt. Diese Dominanz kann nicht immer global und umfassend sein, aber differenziert nach wichtigen Kriterien (z. B. geografischer Raum, Zielgruppe, Themenschwerpunkt) lassen sich dominante Funktionen herausfinden. Diese gilt es im Weiteren zu entwickeln und zu stärken.
  3. Wie kann die NPO ihre Funktion als Plattform erweitern?
    Eine Plattform ist erfolgreich, wenn ihre Dienstleistungen die Beziehungen zwischen den verschiedenen Märkten effizienter (und im NPO-Kontext muss man ergänzen: effektiver) machen. Bei der Entwicklung neuer Angebote oder der Planung einer Fundraising-Kampagne etc. sollte die NPO immer prüfen, wie dadurch der Austausch zwischen den Interessengruppen besser gestaltet werden kann.
  4. Welche Werte prägen den Austausch zwischen den Interessengruppen?
    Ein zweiter Ansatz zur Steigerung der eigenen Wertschöpfung ist ein verbessertes Verständnis der Wertvorstellungen der verschiedenen Interessengruppen. Wo bestehen Überschneidungen, die ausgebaut werden können, und wo bestehen Dissonanzen, die erklärt werden müssen?

Wie NPO mit dem Plattformkonzept neue Leistungen entwickeln können, beweist der Entwurf für Corporate Digital Responsibility (CDR) durch Verbände (Zygmont 2021). Da viele Unternehmen überfordert sind, zu allen gesellschaftlich relevanten Themen der digitalen Transformation eine eigene Position zu haben, sollten Wirtschaftsverbände diese Aufgabe übernehmen und aktuelle Fragestellungen kritisch prüfen und so Unternehmen eine Entscheidungshilfe bieten.

Daraus ergeben sich neue Aufgaben für einen Verband (Zygmont 2021, S. 25):

  • Beratung der Mitgliedsunternehmen in der Erarbeitung einer eigenen CDR-Strategie
  • Begleitung von Mitgliedsunternehmen in der ethischen Entscheidungsfindung
  • Der Verband als öffentlichkeitswirksamer Anwalt für digitale Verantwortung, inklusive die Absicht, für Technologie entwickelnde Berufe ein Berufsethos herauszubilden


Literatur:

Hersberger-Langloh, S.E. (2019). Between Donors and Beneficiaries: A Conceptual Approach to Nonprofits Operating in Two-Sided Markets.

Zygmont, D.D. (2021). Digitale Verantwortung in Verbänden: Entwicklung einer Strategie für Corporate Digital Responsibility, CEPS Forschung & Praxis B. 24, Basel.

Autorin: Sophie Hersberger-Langloh

Lizenz

CEPS, Universität Basel