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NONPROFIT MANAGEMENT UND INNOVATION

2.4

Fallstudie

In NPO kommt es immer wieder zu Zielkonflikten und Diskussionen rund um die Frage der Werte. Finden Sie für die NPO im fiktiven Fallbeispiel eine Lösung!

Der Verein “Uferauen Wilersee” entstand 1973 aus einer Bürgerbewegung heraus, die sich gegen die geplante Überbauung des Westufers des Sees einsetzte. Aus dem erfolgreichen Protest heraus entstand der Verein mit dem Zweck, «die Pflanzen- und Tierwelt der Uferauen zu schützen und deren Erhalt durch Massnahmen in Bildung und Öffentlichkeitsarbeit zu gewährleisten».

Der Verein wuchs über die Jahrzehnte immer weiter an. Die Höchstzahl an Mitgliedern wurde im Jahr 2005 mit 10‘437 erreicht. Seither gehen die Mitgliederzahlen jedes Jahr um ca. 5 % zurück, sei es durch aktive Austritte oder den Tod langjähriger Mitglieder. Ende 2020 zählt der Verein noch 5‘632 Mitglieder. Der zentrale Grund für den Mitgliederrückgang wird darin gesehen, dass Umweltschutzthemen heute stark durch staatliche Massnahmen unterstützt werden und so die Notwendigkeit einer zivilgesellschaftlichen Organisation als weniger relevant erachtet wird.

Dennoch hat der Verein an seinem Zweck nicht an Bedeutung verloren, denn trotz aller Bemühungen seit der Gründung ist das Westufer des Wilersees kein besonders geschütztes Naturgebiet. Um auf die Bedeutung der Uferauen als Brut- und Nistgebiet hinzuweisen, hat der Vereinsvorstand vor 10 Jahren entschieden, einen Beobachtungsturm am Uferrand zu bauen. Von dort können Schulklassen und Interessierte Vögel und andere Tiere beobachten. Der Turm gewinnt von Jahr zu Jahr an Beliebtheit. Der Besucherstrom hat vor fünf Jahren nochmals zugenommen, als der Verein Dank einer grosszügigen Einzelspende ein Besucherzentrum gut einen Kilometer von den Uferauen entfernt errichten konnte, in dem Informationsveranstaltungen und Workshops durchgeführt werden können. Dank des Restaurationsbetriebs ist es aber auch möglich, das Gebäude an Externe zu vermieten, für Firmenanlässe, Hochzeiten usw. Bedingung ist jeweils eine Führung oder ein Vortrag zu den Uferauen.

Noch vor zehn Jahren finanzierte sich der Verein zu 70 % aus Mitgliedsbeiträgen. Inzwischen machen die Einnahmen aus dem Besucherzentrum mehr als die Hälfte des Jahresertrags aus. Ausserdem konnten dadurch auch die Spendenbeiträge erhöht werden. Allerdings ist das Besucherzentrum auch für 30 % des Jahresbudgets verantwortlich.

Vor zwei Jahren bot sich eine einmalige Gelegenheit und der Verein konnte ein grosses Ufergrundstück erwerben. Dazu musste sich der Verein verschulden, aber ein Mitgliederentscheid stützte den Kauf. Das Grundstück soll der Kern eines zukünftigen Naturschutzgebiets werden. Entsprechende Verhandlungen mit der Gemeinde, der weitere Grundstücke am Ufer gehören, verlaufen vielversprechend.

Bei der letzten Mitgliederversammlung stellte der Vorstand ein neues Projekt vor: Am Abfluss des Wilersees soll ein kleines modernes Wasserkraftwerk gebaut werden, das durch die Strömung angetrieben wird. Mit dem gewonnenen Strom soll das Besucherzentrum zum Selbstversorger werden und es besteht sogar die Möglichkeit, durch mehr produzierten Strom weitere Einnahmen zu generieren. Gegen dieses Projekt hat sich nun eine Gegnerschaft unter den Mitgliedern gebildet. Max Egger, ein Mitglied der ersten Stunde, ist Wortführer der Gruppe. «Das Wasserkraftwerk steht gegen alles, für was der Verein ursprünglich mal gegründet wurde!», echauffiert er sich. «Wir haben 50 Jahre gegen eine Überbauung gekämpft und nun bauen wir selbst das Ufer zu! Das Besucherzentrum war der erste Sündenfall, aber das Wasserkraftwerk geht eindeutig zu weit.»

Priska Winter, Vizepräsidentin des Vereins, hält dem entgegen: «Der Verein heute ist nicht mehr mit den Anfangsjahren zu vergleichen. Mit dem Kauf des Grundstücks sind wir eine Verpflichtung eingegangen. Wir haben Verbindlichkeiten und müssen den Fortbestand des Vereins sicherstellen. Was hilft es, wenn wir nun pleitegehen und dann 50 Jahre Kampf vergebens waren? Denn heute kommen die Spekulanten und Investoren erst recht!»


Fragen:

Autor: Georg von Schnurbein

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CEPS, Universität Basel