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WARUM WIR PSYCHOTHERAPIE-ETHIK BRAUCHEN

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Was ist gute Psychotherapie?

Jede Psychotherapeutin und jeder Psychotherapeut möchte möglichst gute Psychotherapie anbieten. Dazu bedarf es auch Kompetenzen in der Ethik.

Was ist gute Psychotherapie?

Jede Psychotherapeutin und jeder Psychotherapeut möchte eine möglichste gute Fachperson sein und möglichst gute Psychotherapie anbieten. Aber was heisst das denn überhaupt – gut? Dieser Frage gehen Psychotherapieforschende seit mehreren Jahrzehnten nach.

Die Wirksamkeit von Psychotherapie ist wissenschaftlich nachgewiesen und anerkannt. Ist Psychotherapie also dann gut, wenn sie wirksam ist? Wenn sich dadurch belastende Symptome bessern oder wenn die Lebensqualität einer Patientin steigt? Die Antwort ist: ja, natürlich. Eine gute Psychotherapie muss unbedingt wirksam sein, ansonsten hat sie keine Existenzgrundlage. Aber genügt Wirksamkeit, damit eine Psychotherapie gut ist?

Das Schweizerische Bundesgesetz über die Krankenversicherung – das KVG – schreibt für die Übernahme der Kosten durch die Grundversicherung Folgendes vor:


Die Leistungen […] müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein.


Neben der Wirksamkeit, die wissenschaftlich nachgewiesen sein muss, ist es also auch erforderlich, dass Psychotherapie zweckmässig und wirtschaftlich ist. Was bedeutet zweckmässig in diesem Zusammenhang?


Die Zweckmässigkeit einer Leistung setzt zusätzlich zur Wirksamkeit deren Eignung unter der Berücksichtigung von Nutzen und Schaden, deren Erforderlichkeit, Zumutbarkeit sowie die Verhältnismässigkeit des Mitteleinsatzes voraus.


Etwas einfacher ausgedrückt: Zweckmässig ist eine Leistung dann, wenn die richtige Intervention von der richtigen Fachperson zum richtigen Zeitpunkt beim richtigen Patienten im richtigen Setting und beim richtigen Problem zum Einsatz kommt. Eine falsche Methode zum falschen Zeitpunkt oder beim falschen Patienten – das kann verheerend sein.

Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit: Die sogenannten WZW-Kriterien sind also gesetzlich gefordert. Reichen sie demnach aus, damit eine Psychotherapie auch gut ist?

Es lassen sich ohne Mühe Psychotherapien oder therapeutische Interventionen vorstellen, in denen die drei WZW-Kriterien zwar erfüllt sind, bei denen aber trotzdem niemand behaupten würde, dass die Behandlung gut ist. Denken wir beispielsweise an Psychotherapie, bei der die Selbstbestimmung der Patienten wiederholt missachtet wird, Psychotherapie, in der die Patientin oder der Patient ausgenützt wird, oder Psychotherapie, die durch eine ungeschulte Person durchgeführt wird. Solch eine Therapie kann potenziell zwar wirksam sein, ihren Zweck erfüllen und auch der Wirtschaftlichkeit Genüge tun. Niemand würde jedoch behaupten, dass eine solche Psychotherapie gut ist.


Kriterien für gute Psychotherapie



Ethische Kompetenzen

Diese ethischen Kompetenzen beinhalten wiederum Wissen und praktische Skills. Auf der Wissensebene ist eine Vertrautheit mit ethischen Grundbegriffen, unterschiedlichen ethischen Konzepten und berufsethischen Richtlinien nötig. Grundbegriffe sind beispielsweise: Ethik, Moral, Selbstbestimmung oder Gerechtigkeit.

Mindestens genauso wichtig wie ethisches Grundlagenwissen sind jedoch praktische Kompetenzen wie die Fähigkeit, moralische Fragen im Alltag zu identifizieren und zu artikulieren. Diese Fähigkeit wird auch moralische Sensibilität genannt. Zu den praktischen Ethik-Kompetenzen gehört jedoch auch, moralische Positionen reflektieren und argumentativ vertreten zu können. Es gehört dazu, die Sichtweisen und Interessen anderer Beteiligter, der sogenannten Stakeholder, zu erkennen und zu berücksichtigen. Zudem gehört zu diesen Kompetenzen, Entscheidungen ethisch zu begründen, zu kommunizieren und umzusetzen.

Diese Kompetenzen in Psychotherapie-Ethik möchten wir in diesem Kurs erarbeiten.



Quellen

Lambert, M. J. (2013). Bergin and Garfield’s Handbook of Psychotherapy and Behavior Change. 6th. edition. New York: John Wiley & Sons, Inc.

Wampold, B., Imel, Z. (2015). The Great Psychotherapy Debate. 2nd ed. New York: Routledge.

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Universität Basel