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INFORMED CONSENT UND URTEILSFÄHIGKEIT

4.3

Informed Consent – informierte Einwilligung

Was ist Informed consent? Weshalb ist er so wichtig und was sollte er beinhalten?


Informed consent bedeutet auf deutsch informierte Einwilligung. Aus rechtlicher Sicht entspricht jeder körperliche medizinische Eingriff einer Körperverletzung, wenn er ohne informierte Einwilligung der Patientin oder des Patienten durchgeführt wird. Entsprechend ist jede psychotherapeutische Handlung ohne informierte Einwilligung als Persönlichkeitsverletzung zu klassifizieren. Um sich als Therapeutin und Therapeut rechtlich abzusichern, bedarf es deshalb bei jeder Psychotherapie einer informierten Einwilligung.

Aber nicht nur aus rechtlicher Sicht, sondern auch aus ethischer Perspektive ist die informierte Einwilligung äusserst wichtig. Mit dem Informed consent und auch mit dem Shared Decision Making werden gleich mehrere ethische Prinzipien berücksichtigt:

  • Erstens drücken Informed consent und auch Shared Decision Making den Respekt vor der Selbstbestimmung der Patientinnen und Patienten aus.
  • Zweitens sorgen sie dafür, dass Patientinnen und Patienten zum potentiellen Nutzen und potentiellen Schaden sowie zu Chancen und Risiken einer Behandlung informiert werden. Damit werden die Prinzipien des Wohltuns und des Nicht-Schadens berücksichtigt.

Mit dem Informed consent und mit Shared Decision Making werden also gleichzeitig drei der vier Prinzipien der biomedizinischen Ethik respektiert.


Was sind nun die wichtigsten Elemente, die in einem angemessenen Informed-consent-Prozess besprochen werden sollten? Das ist ein sehr weites Feld und bezüglich der genauen Inhalte besteht kein klarer Konsens. In verschiedenen Rechtssystemen wird mehr oder weniger vom Informed consent verlangt.

Sowohl aus rechtlicher als auch aus ethischer Sicht plädiere ich dafür, den Informed consent möglichst umfassend zu gestalten. Folgende Elemente sollten unbedingt angesprochen werden:

1. Chancen und Risiken (z. B. einer Symptomverschlechterung mit oder ohne Behandlung)
Informationen zu Chancen und Risiken sollten ehrlich und transparent kommuniziert werden. Falls beispielsweise ein relevantes Risiko für eine Symptomverschlechterung mit oder ohne Behandlung besteht, gehört das als Information ganz klar in den Informed-consent-Prozess.

2. Alternativen zur vorgeschlagenen Therapieform
Ein weiteres wichtiges Element sind Informationen bezüglich Alternativen zur vorgeschlagenen Therapieform. Das gilt auch dann, wenn ich als Therapeut diese Alternative nicht anbieten kann und den Patienten oder die Patientin an eine andere Fachperson überweisen müsste.

3. Dauer und Kosten der Behandlung
Selbstverständlich sind auch Informationen zur möglichen Dauer und zu den Kosten einer Behandlung ein Element von Informed consent.

Die beiden folgenden Elemente sind nicht ganz unumstritten. Aus ethischer Sicht haben Patientinnen und Patienten aber ein Recht, auch darüber informiert zu werden.

4. wissenschaftliche Evidenz der Wirksamkeit
Zum einen sollten Patientinnen und Patienten erfahren, wie es um die wissenschaftliche Evidenz bezüglich der Wirksamkeit der vorgeschlagenen Behandlung steht.

5. Wirkungsweise
Zweitens sollten Patientinnen und Patienten auch Informationen zur postulierten Wirkungsweise einer Behandlung erhalten.

In einem Artikel in der Zeitschrift Lancet Psychiatry habe ich zusammen mit Kollegen 2015 auf die rechtliche und moralische Wichtigkeit der informierten Einwilligung in der Psychotherapie hingewiesen. Dabei haben wir festgestellt, dass trotz ihrer unbestrittenen Wichtigkeit die informierte Einwilligung noch zu wenig zur selbstverständlichen Routine von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten gehört.


Vorhin haben wir über die Informationen gesprochen, die Patientinnen und Patienten im Aufklärungsgespräch von ihren Therapeutinnen und Therapeuten erhalten sollten. Diese Aufklärung ist eines von drei Kriterien für die Gültigkeit des Informed consent. Die beiden weiteren Kriterien sind, dass die Einwilligung freiwillig zustande kommt und dass die Patientin oder der Patient zum Zeitpunkt der Einwilligung urteilsfähig ist.

Bei der Aufklärung geht es um äussere Faktoren der Willensbildung. Informationen müssen von der Therapeutin oder dem Therapeuten aktiv kommuniziert werden. Die Patientenaufklärung ist somit eine Bringschuld.

Beim Kriterium der Freiwilligkeit geht es ebenfalls um äussere Faktoren der Willensbildung. Die Patientin oder der Patient darf beispielsweise nicht zu einer bestimmten Entscheidung gedrängt und es darf kein Druck auf die Patientin oder den Patienten ausgeübt werden. Auch alle Formen von Zwang würden eine gültige informierte Einwilligung verunmöglichen.

Beim dritten Kriterium für eine gültige informierte Einwilligung – bei der Urteilsfähigkeit – geht es hingegen um innere Faktoren der Willensbildung. Es geht darum, ob die Patientin oder der Patient mental überhaupt in der Lage ist, informiert einzuwilligen. In Deutschland wird Urteilsfähigkeit deshalb auch als Einwilligungsfähigkeit bezeichnet. Im folgenden Step werden wir uns die Urteilsfähigkeit genauer anschauen.

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Universität Basel