ETHISCHE GRUNDLAGEN

2.3

Gültige und schlüssige Argumente

Als Basis für ethische Diskussionen ist es wichtig zu erkennen, ob Argumente sowohl gültig als auch schlüssig sind. Lesen Sie dazu den folgenden Text von Manuel Trachsel.

Das Kernstück jeder ethischen Diskussion sind Argumente. Die allgemeine Form eines Arguments besteht aus Prämissen und einer Konklusion, also aus Voraussetzungen und der logischen Schlussfolgerung, die sich aus diesen Voraussetzungen ergibt:


Prämisse 1 (P1)
Prämisse 2 (P2)


Konklusion (K)


Deskriptive und normative Argumente

Ein Argument ist deskriptiv, wenn es eine beschreibende, also deskriptive Konklusion hat.
Ein Argument ist normativ, wenn es eine vorschreibende, bewertende, also eine normative Konklusion hat.

In der Ethik sind meistens normative Argumente zentral. Diese können jedoch ebenfalls deskriptive Prämissen enthalten. Hier sind drei Beispiele für normative Konklusionen:

  • «Es ist falsch, die Todesstrafe anzuwenden.»
  • «Man darf die eigenen Kinder vor anderen Kindern bevorzugen.»
  • «Man sollte 10 % seines Einkommens spenden.»

Wie kommt man nun zu solchen normativen Konklusionen? Um eine normative Konklusion zu ermöglichen, muss mindestens eine Prämisse des Arguments eine normative Aussage sein:


P1: Deskriptive Aussage
P2: Normative Aussage


K: Normative Konklusion


Gültige und schlüssige Argumente

Ein Argument ist gültig (valide), wenn die Konklusion logisch aus den Prämissen folgt. Ein Argument ist schlüssig (konklusiv), wenn die Prämissen wahr oder zumindest gut begründet sind.

Auch wenn ein Argument gültig ist, muss es nicht unbedingt schlüssig sein. Es ist möglich, dass die Prämissen falsch oder schlecht begründet sind.

Bei einer (offensichtlich) falschen Konklusion muss notwendig eine der Prämissen falsch sein. Wenn die Konklusion wahr erscheint, müssen die Prämissen jedoch nicht notwendig wahr sein.

Beispiel eines ungültigen und eines gültigen Arguments

P1: «Die Vollstreckung der Todesstrafe schreckt nicht vor Verbrechen ab.»


K: «Daher ist die Anwendung der Todesstrafe falsch.»

Weshalb ist dieses Argument nicht gültig, obwohl sowohl die Prämisse als auch die Konklusion doch auf den ersten Blick wahr zu sein scheinen? Das Problem mit diesem Argument ist folgendes: Die Konklusion, dass es falsch ist, die Todesstrafe anzuwenden, wird durch die Beobachtung, dass die Todesstrafe tatsächlich angewendet wird, nicht «widerlegt». Das Argument ist nicht gültig, da die Konklusion nicht aus der Prämisse folgt. Damit das Argument gültig wird, muss es mindestens eine normative Prämisse enthalten:


P1: «Die Vollstreckung der Todesstrafe schreckt nicht vor Verbrechen ab.»
P2: «Die Anwendung einer Strafe, die nicht abschreckend wirkt, ist falsch.»


K: «Daher ist die Anwendung der Todesstrafe falsch.»

Beispiel eines nicht schlüssigen Arguments

P1: «Wir sollten immer dasjenige tun, was uns am meisten Freude bereitet.»
P2: «Einer gestürzten und verletzten Person zu helfen, bereitet weniger Freude, als die Fahrradtour fortzusetzen.»


K: «Wir sollten der gestürzten und verletzten Person nicht helfen.»

Was stimmt an diesem Argument nicht? Es enthält sowohl eine normative als auch eine deskriptive Prämisse und die Konklusion folgt logisch aus den Prämissen. Das Argument ist also gültig. Obwohl es gültig ist, ist es jedoch nicht schlüssig, weil das allgemeine Prinzip in P1 höchstwahrscheinlich falsch ist.


Beliebte Formen von Argumenten

Analogieargumente:

Bei Analogie-Argumenten wird für eine Sache oder eine Aussage argumentiert, indem ein Vergleichsobjekt (Sache oder Aussage) aus einem anderen Bereich herangezogen wird.

Es wird argumentiert, dass eine Handlung/Situation X sich nicht moralisch relevant von Y unterscheidet. Es wird behauptet, dass wir X für richtig bzw. falsch halten. Es wird geschlossen, dass wir auch Y für richtig bzw. falsch halten sollten, weil sich X und Y nicht moralisch relevant unterscheiden.

Beispiel:

P1: Wir sollten die Autonomie einer Person respektieren und sie nicht davon abhalten, etwas zu tun, was nur sie selbst betrifft. (Prinzip des Respekts der Autonomie)
P2: Aufgrund von P1 ist es uns nicht erlaubt, eine Person davon abzuhalten, Bungeejumping zu betreiben. (Anwendung von P1)
P3: Die Teilnahme an einer Studie zur Testung eines neuen Impfstoffs unterscheidet sich nicht moralisch relevant davon, Bungeejumping zu betreiben. (Analogiebehauptung)


K: Wir sollten eine Person nicht davon abhalten, an einer Studie zur Testung eines neuen Impfstoffs teilzunehmen.

Ein solches Analogieargument funktioniert dann nicht, wenn es moralisch relevante Unterschiede zwischen den beiden Handlungen oder Situationen gibt.

Schiefe-Ebene-Argumente («Slippery slope arguments»)

Die allgemeine Form von Schiefe-Ebene-Argumenten ist, dass aus der Erlaubnis einer Handlung X wahrscheinlich Y folgen wird und dass wir Y als moralisch falsch ansehen. Daraus wird gefolgert, dass wir X nicht erlauben sollten.

Beispiel:

P1: Suizidbeihilfe zu erlauben ist gut, weil damit unter anderem die Autonomie von Personen respektiert wird.
P2: Durch die Option, den eigenen Tod zu wählen, entsteht mit grosser Wahrscheinlichkeit vor allem auf ältere Personen ein Druck, den Angehörigen nicht zur Last zu fallen und sich deshalb für Suizidbeihilfe zu entscheiden.


K: Wir sollten Suizidbeihilfe nicht erlauben, weil die Erlaubnis dazu führen kann, dass Personen sich als Last für andere empfinden und sich deshalb für den eigenen Tod entscheiden.
(Beispiel von Dr. Holger Baumann, Universität Zürich)

Oft lassen sich Schiefe-Ebene-Argumente damit kritisieren, dass es keinen klaren kausalen Zusammenhang zwischen X und Y gibt.

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Universität Basel