PLACEBO UND PSYCHOTHERAPIE
7.1
Synonym oder Oxymoron?
Psychotherapie und Placebo sind beides psychologische Interventionen, die aber auf den ersten Blick wenig gemeinsam haben. Was unterscheidet sie und was verbindet sie?
Wird beim Placebo eine meist die wortwörtliche Placebo-Pille verabreicht, finden sich in der Psychotherapie zwei (oder mehr) Personen oft in einem vertieften und persönlichen Austausch. Ist das Placebo die verstofflichte Täuschung, dann ist die Psychotherapie die personalisierte Wahrheit. Die Psychotherapie basiert auf wissenschaftlich validen Theorien und empirisch getesteten Wirkfaktoren, das Placebo bemüht sich nur um Plausibilität. Wie verhält es sich mit der Beziehung zwischen diesen beiden psychologischen Interventionen? Es lassen sich hier beide zwei Extrempositionen verorten:
The old debate about whether or not psychotherapy and placebos have similar mechanisms consists of ascertaining whether psychotherapy is nothing but a placebo effect, and thus whether a placebo procedure is a very simple form of psychotherapy
vs.
There is a problem with identifying psychotherapy with the placebo effect. A placebo is something that is sham, fake, false, inert, and empty. Psychotherapy is none of these.
Aber warum ist diese Frage überhaupt bedeutsam? Wir können die zentralen Punkte schon den Zitaten oben entnehmen: Psychotherapie ist im Idealfall kein Fake, sie ist echt und voller Inhalt, und wenn das nicht der Fall ist, dann wäre Psychotherapie nicht mehr als ein kompliziertes Placebo und Placebo nur eine einfache Form der Psychotherapie. D. h. wenn Psychotherapie ein Placebo ist, dann wäre das weniger ein Wirkungsproblem, sondern eher ein ethisches Problem. Entsprechend ist die Klärung der Frage, wie es um die Beziehung von Psychotherapie und Placebo steht, eine ethisch und damit auch klinisch relevante Frage. Nicht alles, was wirkt, ist gut.
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Universität Basel