EINFACH LESEN! AUSWAHL UND EINSATZ VON SCHRIFT UND TYPOGRAFIE

2.3

Passende Schriften auswählen

Welche Schriften sind nun für Lehr-/Lernmaterialien geeignet? Wie können Sie diese Schriften erkennen? Finden Sie heraus, welche Merkmale einer Schrift hierfür wichtig sind.

Drei Fragen sind wichtig, um zu entscheiden, ob Sie eine Schrift für Ihre Lehr-/Lernmaterialien verwenden können:

  • Wie gut lässt sich die Schrift lesen?
  • Welche Wirkung hat die Schrift?
  • Wie gut ist die Schrift einsetzbar?

Widmen wir uns zunächst der Lesbarkeit. Wann ist eine Schrift gut lesbar? In der vorherigen Übung haben Sie vielleicht schon einige Schriften aussortiert, weil diese nicht gut lesbar sind.


Schriften aus vorigem step



Um genauer zu verstehen, warum eine Schrift mehr oder weniger lesbar ist, sehen wir uns in einem anderen Beispiel einige Buchstaben genauer an.



Wir sehen also, dass relativ gleiche Strichstärken eine Schrift lesbarer machen, ebenso große Innenräume und Zwischenräume innerhalb eines Buchstaben, z. B. beim „a“ oder „e“. Eine große Mittellänge im Vergleich zur Gesamthöhe eines Buchstaben erleichtert auch das Lesen, und die Buchstaben sollten weder zu breit oder zu eng sein. Auch viele Verzierungen oder Verschnörkelungen verschlechtern das Schriftbild.

Alles in allem: Je klarer und einfacher eine Schrift ist, desto leichter ist es, den Text zu entziffern, vor allem wenn das Ausgabemedium das Erkennen der Buchstaben ohnehin erschwert (denken wir z. B. an einen Beamer mit wenig Leuchtkraft, ein Arbeitspapier aus einem Tintenstrahldrucker oder ein Exposé auf dünnem, durchscheinendem Papier gedruckt). Ob der Text auf Papier gedruckt wird oder auf einem Screen gelesen wird, ist eine besonders wichtige Entscheidung. Denn da das Lesen am Screen deutlich anstrengender ist, sollten Sie hier besonders auf eine gute Lesbarkeit des Textes achten. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn wir mit großen Textmengen arbeiten (hier kommt das lineare Lesen zum Einsatz): Je mehr Text wir haben, desto wichtiger wird die Lesbarkeit.

Wir können in dem Zusammenhang auch von Leseschriften versus Auszeichnungsschriften sprechen. Explizite Leseschriften sind für große Textmengen – also beim linearen Lesen – hervorragend geeignet, da sie sehr leicht lesbar sind. Sie sind eher unauffällig, wirken gleichmäßig und ruhig, aber zuweilen auch etwas langweilig, wenn man damit z. B. Überschriften gestalten will.

Auszeichnungsschriften sind auffällig, stechen hervor und sind gut für kleine Textmengen geeignet (z. B. Titel, Überschriften, Infoboxen), sollten aber nicht für viel Text eingesetzt werden, da sie nicht so gut lesbar sind. Wir sehen hier als Beispiele die Schriften Vollkorn und Impact.

Leseschrift vs Auszeichnungsschrift

Oben Leseschrift (Vollkorn)
unten Auszeichnungsschrift (Impact)


Die Lesbarkeit von großen Textmengen wird auch durch sogenannte Serifen unterstützt:

Schrift mit Serifen vs. Schrift ohne Serifen

Einzelne Buchstaben und Text in jeweils einer Serifenschrift und einer serifenlosen Schrift


Serifen sind kleine An- und Abstriche oder Füßchen am Ende einer Buchstabenlinie. Es gibt Schriften mit schwachen Serifen (z. B. Georgia), normal ausgebildeten Serifen (z. B. Minion) oder sehr stark ausgeprägten Serifen (z. B. Rockwell). Es gibt aber inzwischen auch zahlreiche serifenlose Schriften, die bei mittlerer Textlänge noch sehr gut lesbar sind (z. B. die Myriad oder Gill Sans). Diese können vor allem beim informierenden, differenzierenden oder auch inszenierenden Lesen eingesetzt werden.

Übrigens: Serifen, Mittellänge, Strichstärke, Verzierungen – das alles sind Merkmale einer Schrift, die uns einen Hinweis darauf geben, in welcher Epoche sie entstanden ist und welcher Schriftklasse wir sie aufgrund dessen zuordnen können. Die ersten Serifenschriften z. B. wurden in der Renaissance entwickelt, die ersten serifenlosen Schriften dagegen erst Anfang des 19. Jahrhunderts.

Unter schriftgestaltung.com finden Sie weitere Informationen zur Klassifikation von Schriften.

Diese Merkmale führen auch zu einem Gesamtbild oder der Wirkung einer Schrift. Nur wenige Schriften haben auch die richtige Wirkung oder das richtige Gesamtbild, um für Lehr-/Lernmaterialien zum Einsatz zu kommen. Sie müssen seriös und sachlich genug wirken, nicht zu verspielt und sie dürfen auch nicht allzu sehr vom Inhalt ablenken. Sehen Sie sich daher noch einmal das PDF aus Schritt 2.2 an und analysieren Sie, welche der Schriften die richtige Wirkung für den akademischen Kontext haben oder eher nicht.

Gute, brauchbare Schriften gibt es immer in mehreren Varianten, sogenannten Schriftschnitten. Die Schnitte unterscheiden sich z. B. in der Schriftbreite (schmale, normale, breite Schnitte), in der Linienstärke (magere, halbfette, fette Schnitte) oder in der Schriftlage (kursive Schnitte). Kapitälchen sind übrigens auch ein eigener Schnitt. Eine Schrift mit all ihren Schnitten ergibt eine Schriftfamilie. Eine Schrift lässt sich umso besser einsetzen, je mehr Schnitte von ihr zur Verfügung stehen, weil sich diese sehr gut miteinander kombinieren lassen.

Schriftfamilie mit mehreren Schnitten

Eine Schrift wird mit ihren verschiedenen Schnitten dargestellt


Wofür genau wollen Sie die Schrift einsetzen? Um welche Inhalte handelt es sich? Wie viel Text haben Sie und wie wird der Text gelesen? Linear, differenzierend, inszenierend? Mit welcher Art Lehr-/Lernmaterial haben Sie es zu tun? Handelt es sich um ein Poster, einen Foliensatz, ein Skript oder etwas anderes? Was ist Ihr Ausgabemedium (Print, digital, Beamer, Screen)? Hier wird deutlich, wie wichtig die Vorarbeiten zur Gestaltung sind, die diese Rahmenbedingungen abstecken. Je nach Einsatzzweck entlang dieser Fragen sind verschiedene Schriften mehr oder weniger geeignet.


Hier einige Beispiele für lizenzfreie oder in Microsoft Office verfügbare Schriften:

Textmenge, Texttyp Lektüre Ausgabemedium Bsp. geeigneter, lizenzfreier Schriften
Viel Text Linear gelesen Papier Alegreya, Jura, Vollkorn
Viel Text Linear gelesen Tablet / Laptop Cambria, Constantia, Droid Serif, Georgia, Vollkorn
Textblöcke Differenzierend gelesen auf Postern, in Handouts, in digitalen Lernangeboten Alegreya Sans, Calibri, Droid Sans, Fira Sans, Lato, Lucida, Open Sans
Überschriften Candal, Francois One, Impact, Rokkit, Secular One