EXPERTE – UNTERSUCHUNG
1.6
Begleitverletzung
Was die Ärztin denkt
Klinische Untersuchung
Grundsätzliche Überlegungen
- Durch den Schnitt könnten neben der sichtbaren Durchtrennung von Haut und Subcutis auch Nerven, Gefässe, Sehnen und Muskeln verletzt worden sein.
- Eine orientierende klinische Untersuchung muss die periphere Motorik, Durchblutung und Sensibilität (Merkwort MDS) distal von der Verletzungsstelle prüfen.
- Die einfachste Art die Sensibilität (⟶ Hautsensibilität) zu prüfen, ist die vergleichende Berührung mit dem Finger.
- Entsprechend der Lokalisation des Schnittes könnten verschiedene Nerven verletzt worden sein.
Vorgehen
- Ich untersuche das grobe Berührungsempfinden in den Versorgungsarealen dieser Nerven distal von der Verletzungsstelle und achte auf einen möglichen Sensibilitätsausfall.
- Konkret sind dies die sensiblen Unterarmnerven Nn. radialis superficialis, Hautareale des N. medianus (⟶ N.medianus) und evtl. ulnaris (⟶ N.ulnaris) an der Hand).
- Exakte Methoden wie z.B. der Stumpfspitztest oder die Prüfung der 2-Punktediskrimination werden erst bei pathologischem Befund der Übersichtstestung durchgeführt, da diese Tests sensibler und spezifischer, aber auch wesentlich zeitaufwendiger sind.
- Alle Sensibilitätsprüfungen müssen vor einer Lokalanästhesie durchgeführt werden, da die Angaben nachher nicht mehr aussagekräftig sind.
- Ich prüfe die periphere Durchblutung durch Pulstastung der A. radialis und ulnaris und Messung der kapillären Reperfusionszeit. E
- Eine Füllung der durch Druck abgeblassten Haut innerhalb von 1-2 Sekunden ist normal.
- Bei arterieller Verletzung wäre diese Zeit deutlich verlängert, bei Durchtrennung von grossen Venen und venöser Abflussstauung wäre sie hingegen verkürzt.
- Bei unklarem Befund vergleiche ich den verletzten Körperteil mit der anderen, nicht-verletzten Seite.
Funktionsprüfung
- Eine Verletzung tieferer Strukturen würde, bedingt durch die Lokalisation der Wunde, anatomisch die Beugemuskulatur betreffen.
- Eine mögliche Durchtrennung von Muskeln oder Sehnen schliesse ich durch Untersuchung der distalen Motorik und eine Funktionsprüfung der langen Beuger aus.
- Eine Lähmung der intrinsischen Handmuskulatur mit Behinderung des vollständigen Faustschlusses, der Daumenbeweglichkeit oder des Spreizen und Zusammenführen der Finger würde auf eine Läsion eines motorischen Astes des N. medianus (⟶ N.medianus) oder ulnaris (⟶ N.ulnaris) hinweisen.
Kommunikation
- Um den immer noch sehr besorgt wirkenden Herrn Meyer weiter zu beruhigen, fasse ich die bisher erhobenen Befunde in allgemein verständlicher Sprache nochmals zusammen.
Lizenz
Universität Basel