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3.1

Sechs Pic-eine'rkin

Die unterschiedlichen Kehlkopfgesänge erzählen von alltäglichen Begebenheiten und von kulturellen Besonderheiten dieser abgeschiedenen Region. In diesem Step können sechs Lieder und die dazugehörigen Choreographien in teils unterschiedlichen Versionen betrachtet und studiert werden. Die erste Version stammt jeweils von Frauen aus Sireniki, die sich zu einem Ensemble zusammengeschlossen haben. Dieses trägt den Namen Kiighwyaq (Nordlicht - Aurea borealis).

Fotografie von Frauen bei einer Aufführung eines Kehlkopfgesangs im Gemeindehaus von Sireniki Eine Performance der Kiighwyaq


Pic-eine’rkin: Qasiqaq

Text: Neutrale Silben und die Worte Qasiqaq (junges Walross), Unkuvak (erwachsenes Walross - Mutter des Jungen).

Liedaussage: Auf einer Eisscholle liegt eine Walrossmutter mit dem Jungen. Das Junge spielt.

Choreographie: Die Knie werden im Metrum des Gesangs leicht gebeugt. Mit Oberkörper und Armen werden verschiedene Bewegungen ausgeführt und an bestimmten Momenten wird geklatscht. Diese Choreographie scheint keine Imitation des Liedinhaltes zu sein.

Versionen: Der Film zeigt zwei Versionen nacheinander - zuerst diejenige der Kiighwyaq, dann die von Sivugun und Nunana.


Pic-eine’rkin: Ay-ay-amamay

Text: Neutrale Silben.

Liedaussage: Typische Arbeiten der Frauen

Choreographie: Beine zusammen und leichtes Beugen auf akzentuierte Zeit. Einleitung: Hängende Arme hin- und her schwingen, danach wird eine Reibbewegung imitiert (Reinigen der Felle).

Versionen: Der Film zeigt zwei Versionen nacheinander - zuerst diejenige der Kiighwyaq, dann die von Sivugun und Nunana.


Pic-eine’rkin: Apa

Text: Neutrale Silben und die Worte Apa-i-i-a, Apa-i-i-a, agaze, agaze. Apa: Grossvater, Apaia: Grossväterchen. Agaze: Kein eigentlicher Sinn, ursprünglich aber nicht agaze sondern kekezen. Folgende Übersetzung: Grossväterchen, Grossväterchen, was machst du, was machst du?

Liedaussage: Lied über einen Grossvater

Choreographie: Armbewegungen stehen nicht in Bezug zum Textinhalt des Gesangs.

Versionen: Der Film zeigt zwei Versionen nacheinander - zuerst diejenige der Kiighwyaq, dann die von Sivugun und Nunana.


Pic-eine’rkin: Meteghlluk

Text: Neutrale Silben und das Wort meteghlluk (Yupik-Name für Rabe). Die Worte kafuka-i-i kafuka-i-i imitieren die Laute des Raben. Der Rabe ist ein sehr symbolträchtiges und respektiertes Tier bei den Inuit, Yupik und anderen Ethnien im Norden Amerikas und Nordostasiens.

Liedaussage: Ein Rabe am Strand frisst einen Seestern. Heute sind mindestens zwei Versionen bekannt. Waldemar Bogoras, ein Teilnehmer der bekannten, von Franz Boas geleiteten Jesup North Pacific Expedition (1897- 1902), erwähnt einen ‹Raven Song›: «The imitative sound (…) represents the croaking of the raven. The girls for a while also keep repeating ‹Raven, Raven› in hoarse sounds produced while drawing in the breath. While dancing, the girls hop around, pretend to seek for something, peck at the ground etc.» (Bogoras, Waldemar (1909): The Chukchi, in: Boas, Franz (Hg.), «The Jesup North Pacific Expedition. Memoir of the American Museum of Natural History», Vol. 7., New York: Stechert 1898–1903.)

Choreographie: Die Frauen der Gruppe Kiighwyaq führen Armbewegungen aus, die nicht in Zusammenhang zu den von Bogoras geschilderten Bewegungen stehen. Nach einem ersten Versuch unterbrechen die Frauen den Tanz, da sie sich bei der Wiederholung nicht einig waren. Danach beginnen sie den Tanz nochmals von vorne.

Versionen: Der Film zeigt zwei Versionen nacheinander - zuerst diejenige der Kiighwyaq, dann die von Sivugun und Nunana.


Pic-eine’rkin: Kowlainyn

Text: Kowlainyn (Aussprache: coulaeï) beinhaltet den Namen des Lieds und neutrale Silben. Es ist möglich, dass eine frühere, heute vergessene oder abgeänderte Version sich auf den Inhalt bezog. Kowlainyn kann übersetzt werden als: «Mann mit einem Auge». Bogoras (1909:268) erwähnt dieses Lied mit dem Text ‹Kowla’inin pice’inei ripe’t pi’tqalelanto’ê› und übersetzt es wie folgt: «The One-eyed-One sang/sings with his throat till his other eye got out (of the socket)».

Aussage: Ein alter Mann wollte sich im Pic-eine’rkin Singen mit einem jungen Mädchen messen. Der alte Mann sang mit so viel Kraft, dass ein Auge aus der Augenhöhle sprang.

Choreographie: Armbewegungen stehen nicht in Bezug zum Inhalt des Gesangs.

Versionen: Der Film zeigt zwei Versionen nacheinander - zuerst diejenige der Kiighwyaq, dann die von Sivugun und Nunana.


Pic-eine’rkin: Tanyn

Text: Tanyn aven inanwatken – dt. Übers.: «Ein russisches Mädchen (tanyn) reinigt Felle (aven inanwatken)». Der Gesang endet mit hörbarem Ein- und Ausatmen (Seufzer).

Aussage: Ein russisches Mädchen reinigt / kratzt Felle. Sie ist untalentiert und hat sehr viel Mühe damit. Das Lied endet mit einem Seufzer, um ihre Resignation akustisch zu demonstrieren. Tschuktschen und Yupik neigen dazu, die russischen Mädchen als zu fein für die Verrichtung einer solchen Arbeit anzusehen. Bogoras (1909:269) erwähnt möglicherweise dasselbe Pic-eine’rkin oder einen Gesang mit ähnlichem Inhalt: «One dance is the imitation of the scraping of skins».

Choreographie: Die Bewegungen der Sängerinnen imitieren diese Arbeit. Die Arme bewegen sich nach vorne und zurück. Die Sängerinnen verdrehen die Augen, um die des russischen Mädchens zu imitieren.

Versionen: Das Video zeigt die Version der Kiighwyaq’s



Literatur

  • Bogoras, Waldemar (1909): «The Chukchi», in: Boas, Franz (Hg.), The Jesup North Pacific Expedition. Memoir of the American Museum of Natural History, Vol. 7., New York: Stechert 1898–1903.

Lizenz

Universität Basel