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2.2

Grundsatz 1: Gesetzliche Grundlage

Der erste Grundsatz betrifft die Rechtmässigkeit der Datenbearbeitung. Welche gesetzliche Grundlage ist erforderlich, wenn wir Daten bearbeiten wollen?

Icon Rechtsmaessigkeit

Das Quiz im vorherigen Step wäre bei einer Datenerhebung offensichtlich zu weit gegangen. Aber woran können wir uns orientieren, wenn wir wissen wollen, welche Formen der Datenbearbeitung möglich und zulässig sind? Als staatliche Behörden müssen wir auf einer gesetzlichen Grundlage handeln. Das ist das verfassungsrechtliche Legalitätsprinzip. Dieses Prinzip gilt auch für die Datenbearbeitung. Denn anders als Private dürfen öffentliche Organe nicht allein schon deshalb Daten bearbeiten, weil sie ein überwiegendes Interesse daran geltend machen können. In Bezug auf das Datenbearbeiten ist dieser Grundsatz festgelegt im § 9 des IDG:


§ 9 Voraussetzungen für das Bearbeiten von Personendaten
1
Ein öffentliches Organ darf Personendaten bearbeiten, wenn
a) dafür eine gesetzliche Grundlage besteht oder
b) dies zur Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe erforderlich ist.

2
Besondere Personendaten dürfen bearbeitet werden, wenn
a) ein Gesetz dazu ausdrücklich ermächtigt oder verpflichtet oder
b) es für eine in einem Gesetz klar umschriebene Aufgabe zwingend notwendig ist.

3
Das Bearbeiten von Personendaten hat nach Treu und Glauben zu erfolgen und muss verhältnismässig sein.

Diese gesetzliche Grundlage kann nun in zwei Formen erscheinen: als unmittelbare gesetzliche Grundlage oder als mittelbare gesetzliche Grundlage. Was ist darunter jeweils zu verstehen?


Unmittelbare und mittelbare gesetzliche Grundlage

Von einer unmittelbaren gesetzliche Grundlage sprechen wir dann, wenn das Datenbearbeiten in einem Gesetz ausdrücklich geregelt wird. Von einer mittelbaren gesetzlichen Grundlage wiederum sprechen wir, wenn Gesetze oder Verordnungen nur eine Aufgabe umschreiben, zu deren Erfüllung das öffentliche Organ Personendaten bearbeiten muss, aber keine direkten Vorgaben dazu enthält, wie Daten zu bearbeiten sind. Das ist zwar auch eine gesetzliche Grundlage, aber sie regelt nicht unmittelbar das Datenbearbeiten, sondern sie wirkt nur mittelbar.

Diese beiden Grundlagen sind aber nicht einfach austauschbar. Nicht immer genügt eine mittelbare gesetzliche Grundlage. Es kommt darauf an, was für eine Art von Personendaten bearbeitet werden soll. Dafür gibt noch eine weitere Unterscheidung im § 9 IDG, nämlich die zwischen gewöhnlichen Personendaten und besonderen Personendaten.


Gewöhnliche und besondere Personendaten

Wenn gewöhnliche Personendaten bearbeitet werden sollen, dann braucht es dafür eine gesetzliche Grundlage. Diese Grundlage kann in einem Gesetz oder in einer Verordnung bestehen. Sollen hingegen besondere Personendaten bearbeitet werden, dann verlangt § 9 Abs. 2 ein Gesetz, also eine Grundlage in einem Gesetz im formellen Sinn. Eine Verordnung, die in der Regel vom Regierungsrat erlassen wird, genügt in diesem Fall nicht, sondern es braucht dafür als unmittelbare Grundlage ein Gesetz, das vom Parlament beschlossen worden ist und unter Umständen sogar dem Referendum unterstanden hat. Schauen wir uns nun die Anforderungen an die gesetzlichen Grundlagen an zwei Beispielen einmal an.


Beispiel 1: Erfassung von Konfessions- oder Religionszugehörigkeit

Als erstes Beispiel widmen wir uns der Frage, ob die Einwohnerkontrolle die Konfessions- oder Religionszugehörigkeit von Personen, die sich im Kanton anmelden, erfassen darf oder nicht. Wie wir inzwischen wissen, braucht es dafür eine qualifizierte gesetzliche Grundlage. Weil die Konfession- oder Religionszugehörigkeit aber ein besonderes Personendatum ist, braucht es eine unmittelbare gesetzliche Grundlage, also ein Gesetz im formellen Sinn. Dabei beziehen wir uns auf § 9, Abs. 2. Eine solche gesetzliche Grundlage über die Erhebung von Daten durch die Einwohnerkontrolle finden wir nun im Fachgesetz für die Einwohnerkontrolle, und zwar im baselstädtischen Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Allerdings wird dort im § 10 nicht direkt festgelegt, ob und wie die Einwohnerkontrolle die Konfessions- oder Religionszugehörigkeit erfassen darf, sondern es wird verwiesen auf die Art. 6 und 7 des Bundesgesetz über die Harmonisierung der Einwohnerregister und anderer amtlicher Personenregister das sogenannte Registerharmonisierungsgesetz (RHG) zu führen sind.

Das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz führt also nicht selbst auf, welche Daten die Einwohnerkontrolle erheben darf, sondern verweist uns wiederum auf ein Bundesgesetz. Dort werden wir aber endlich fündig: Dieses Bundesgesetz betrifft nämlich den minimalen Inhalt der Einwohnerregister und legt fest, dass die Zugehörigkeit zu einer öffentlich-rechtlichen oder auf andere Weise vom Kanton anerkannten Religionsgemeinschaft darin aufzunehmen ist. Damit liegt uns das vor, was § 9 Abs. 2 verlangt hat, nämlich eine gesetzliche Grundlage in einem Gesetz im formellen Sinn, in diesem Fall für die Aufnahme der Religionsgemeinschaft in das Einwohnerregister. Aber Achtung: Das Registerharmonisierungsgesetz spricht nur von öffentlich-rechtlichen oder auf andere Weise kantonal anerkannten Religionsgemeinschaften. Es müsste also zusätzlich noch geprüft werden, welche Religionsgemeinschaften der Kanton in seiner Verfassung oder durch einen Grossratsbeschluss anerkannt hat.

Was sehen wir anhand von diesem Beispiel? Bei der unmittelbaren gesetzlichen Grundlage ist es relativ einfach festzustellen, was ein öffentliches Organ tun darf, wofür also eine gesetzliche Grundlage besteht. Etwas schwieriger ist es bei einer mittelbaren gesetzlichen Grundlage, weil dort gerade nicht das Datenbearbeiten selbst im Gesetz oder in der Verordnung geregelt wird, sondern nur die Aufgabe. In einem solchen Fall müssen wir untersuchen, welche Datenbearbeitungen wirklich erforderlich sind, um diese gesetzliche Aufgabe zu erfüllen.


Beispiel 2: Schulgesetz und die Bekämpfung ansteckender Krankheiten unter Kindern

Mit der Corona-Pandemie ist auch die Kontaktnachverfolgung als Massnahme in den öffentlichen Fokus gerückt. Der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst hat damit aber schon länger Erfahrung, denn zu seinen Aufgaben gehört die Mitwirkung bei der Bekämpfung der ansteckenden Krankheiten unter den Kindern. Dafür müssen Gesundheitsdaten erhoben werden, die als besondere Personendaten gelten (§ 3 Abs. 4 des IDG). Es braucht daher für die Bearbeitung dieser besonderen Personendaten eine Grundlage in einem Gesetz im formellen Sinn. Dafür beziehen wir uns auf § 140 Absatz 4 Buchstabe f des Schulgesetzes, in dem diese Aufgabe der Bekämpfung ansteckender Krankheiten unter Kindern beschrieben ist.

Anders als bei unmittelbaren gesetzlichen Grundlagen ist damit aber die Frage noch nicht klar beantwortet, was der Gesundheitsdienst zur Erfüllung dieser Aufgabe eigentlich genau tun darf. Da es in dieser mittelbaren gesetzlichen Grundlage des Schulgesetzes keine Vorgaben gibt, wenden wir uns nun § 9 Abs. 2 Buchstabe b IDG zu: Der Gesundheitsdienst darf demnach nur solche besonderen Personendaten bearbeiten, die zur Erfüllung dieser gesetzlichen Aufgaben zwingend notwendig sind. Damit verweist das IDG auf einen zweiten Grundsatz, nämlich auf das Verhältnismässigkeitsprinzip, das wir uns in der Folge anschauen werden.

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Universität Basel