MARKTMODELLE UND WERTSCHÖPFUNG
3.2
Marktorientierung von NPO
Gewisse Konzepte aus dem Unternehmensbereich lassen sich – in einer angepassten Form – durchaus auf NPO anwenden. Marktorientierung beschreibt beispielsweise, wie Organisationen sich auf ihre Stakeholdergruppen ausrichten und so, durch eine bessere Befriedigung deren Bedürfnisse, die Organisationsleistung steigern können.
Die Vermarktlichung von NPO wird von vielen als eine kritische Entwicklung angesehen, da sie unter anderem eine zunehmende Ausrichtung von NPO auf den Markt und die entsprechenden Interessengruppen bedeutet. Die Übernahme gewinnorientierter Praktiken wird als Managerialisierung bezeichnet. Kritiker befürchten, dass dieser Prozess zu einem aggressiven Gewinnstreben führen könnte. Dadurch würden die NPO ihren Nonprofit-Charakter vergessen und ihren Auftrag aus den Augen verlieren.
Es gibt aber auch Forschende und Praktiker, die die positiven Aspekte der Vermarktlichung betonen. Die Übernahme von unternehmerischen oder ökonomischen Denkweisen und Praktiken kann NPO helfen, ihre Programme und Dienstleistungen zu verbessern. Der Schwerpunkt der Forschung dazu liegt häufig auf den positiven Auswirkungen auf die finanzielle Leistungsfähigkeit durch Kosteneffizienz. Im Nonprofit-Kontext ist Leistung jedoch nicht eindimensional, sondern umfasst mehr als finanziellen Erfolg. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, Konzepte aus der Wirtschaft näher zu betrachten, deren Ziel nicht in erster Linie die Steigerung des Gewinns ist: Marktorientierung zum Beispiel bezeichnet die Idee, dass Organisationen erfolgreich sind, wenn sie sich auf die Marktanforderungen konzentrieren. Gewinne sind also nicht das Ziel, sondern eine Auswirkung der Marktorientierung. Dies lässt sich besser auf die Situation von NPO übertragen: Die Marktorientierung kann durch das angestrebte subjektive Leistungsmass der NPO, also die Auftragserfüllung, ersetzt werden.
Marktorientierung in der Theorie
Gemäss der Theorie können marktorientierte Organisationen auf ihre Anspruchsgruppen reagieren und deren Bedürfnisse angemessener befriedigen, um bessere Leistungen zu erzielen. In der Business-Literatur wurde das Konzept der Marktorientierung als Teil des strategischen Marketings gründlich erforscht und angewandt. Die beiden bekanntesten Denkschulen, auf denen die meisten Unternehmensforschungen aufbauen, sind MARKOR und MKTOR.
MARKOR vertritt eine verhaltensorientierte Sichtweise der Marktorientierung und geht davon aus, dass Unternehmen Marktorientierung durch Marketingaktivitäten umsetzen. Die MARKOR-Skala misst, wie ein Unternehmen Informationen generiert, verbreitet und auf sie reagiert, indem es seine Marketingaktivitäten entwickelt und umsetzt.
MKTOR vertritt die Auffassung, dass Marktorientierung eine Organisationseigenschaft oder -kultur ist. Diese Kultur veranlasst die Organisation, ihre Geschäfte auf eine bestimmte Art und Weise zu führen. MKTOR misst die Marktorientierung durch Analyse der Kundenorientierung, der Wettbewerbsorientierung und der interfunktionalen Koordination.
Einige Forscher sind der Meinung, dass es erhebliche Überschneidungen zwischen den beiden Konzepten gibt. Sowohl MARKOR als auch MKTOR gehen davon aus, dass das Hauptziel der Marktorientierung nicht die Rentabilität ist, sondern dass die Rentabilität eine Folge der Marktorientierung ist.
Diese und weitere Konzepte der Marktorientierung konzentrieren sich in erster Linie auf zwei Stakeholder-Gruppen, nämlich Kunden und Wettbewerber. NPO müssen jedoch auf die Bedürfnisse einer Vielzahl von Interessengruppen eingehen. Dies kann dazu führen, dass eine Stakeholder-Gruppe gegenüber den anderen bevorzugt wird, da nicht genügend Ressourcen zur Verfügung stehen, um auf alle Bedürfnisse gleichermassen einzugehen.
Marktorientierung und Leistung
Studien über die Marktorientierung von gewinnorientierten Unternehmen und ihre Auswirkungen auf die Leistung eines Unternehmens kommen meist zu dem Schluss, dass ein Unternehmen umso rentabler ist, je stärker es sich am Markt orientiert. In diesen Studien wird eine breite Palette von Variablen zur Leistungsmessung verwendet, z. B. die Kapitalrendite (ROI) oder die Gesamtkapitalrendite (ROA), das Umsatzwachstum oder der Marktanteil.
Auch im Nonprofit-Bereich kann die Marktorientierung als Instrument zur Selbstbewertung dienen, um festzustellen, ob die Organisation gut arbeitet. Sie wird besonders relevant, wenn sie mit Leistungsvariablen verknüpft wird. Die meisten Studien, die sich mit der Marktorientierung im Nonprofit-Sektor befassen, stellen ebenfalls einen positiven Zusammenhang zwischen Marktorientierung und Leistung fest, wobei Leistung im Nonprofit-Kontext ein multidimensionales Konstrukt ist. Einige Forschende schlagen vor, die Leistung in soziale und wirtschaftliche Komponenten zu unterteilen, um die Leistung einer NPO zu messen. Eine Trennung von sozialer und wirtschaftlicher Leistungsmessung ist vor allem in Anbetracht der Tatsache sinnvoll, dass die Anwendung eines Marketingkonzepts nicht in erster Linie auf eine Gewinnsteigerung ausgerichtet ist.
Die Marktorientierung von Schweizer NPO
Im Rahmen einer Studie des CEPS (Hersberger-Langloh, 2020) wurde, basierend auf Umfragedaten von über 500 Schweizer NPO, eine multi-stakeholderbasierte Marktorientierungsskala entwickelt und deren Einfluss auf (ökonomisches) Wachstum und Ausmass der Leistungserfüllung getestet. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die Orientierung an Wettbewerbern, dem öffentlichen Sektor, Leistungsempfängern, Geldgebern und internen Funktionen (z. B. interner Koordination) Komponenten einer Stakeholder-basierten Skala zur Marktorientierung von Non-Profit-Organisationen sind. Um zu testen, wie diese Stakeholder-Gruppen die wirtschaftliche und soziale Leistung von NPOs beeinflussen, wurde ein Strukturgleichungsmodell verwendet, um diese Stakeholder-Komponenten mit zwei Leistungsmessungen, der Missionserfüllung und dem Organisationswachstum, zu verknüpfen.
Der Einfluss von Marktorientierung auf die Leistung von Schweizer NPO
Die Ergebnisse zeigen, dass die interne Orientierung und die Orientierung an den Leistungsempfängern Komponenten sind, die beide Arten von Leistungsmessung positiv beeinflussen. Die starke Auswirkung einer Ausrichtung nach innen kann auch darauf zurückzuführen sein, dass es in der Schweiz wenig Benchmark-Möglichkeiten für NPO gibt. Die Orientierung am öffentlichen Sektor wirkt sich positiv auf das Organisationswachstum aus, was für NPO in Ländern, in denen der Staat der wichtigste Geldgeber für gemeinnützige Organisationen ist, eine relevante Erkenntnis ist. Eine stärkere Ausrichtung auf Konkurrenten scheint zu einem geringeren Grad der Missionserfüllung zu führen. Schließlich hat die Orientierung auf Geldgeber keine signifikanten Auswirkungen auf eine der beiden Leistungskennzahlen. Das könnte kontraintuitiv erscheinen, da man annehmen könnte, dass die Geldgeber-Orientierung eine Schlüsselkomponente der Marktorientierung von Non-Profit-Organisationen ist, da sie die finanziellen Ressourcen bereitstellen, die den Betrieb einer Organisation ermöglichen. Die Ergebnisse der Analyse deuten jedoch darauf hin, dass die Orientierung an den Leistungsempfängern, d. h. an ihrem sozialen Wert, für gemeinnützige Organisationen zentraler ist als finanzielle Werte. Die Orientierung an Geldgebern scheint also eher eine Bedingung zu sein, die NPOs einfach erfüllen müssen. Sie ist ausschlaggebend dafür, ob sie ihren Auftrag erfüllen können, aber nicht dafür, wie sie dies tun.
Haben Sie in Ihrer Organisation schon einmal eine ausführliche Stakeholderanalyse vorgenommen? Wer sind Ihre wichtigsten Anspruchsgruppen und wie pflegen Sie diese Beziehungen?
Literatur:
Hersberger-Langloh, S. (2020). A Stakeholder Perspective on the Market Orientation of Swiss Nonprofit Organizations. Journal of Nonprofit & Public Sector Marketing, 1–26.
Autorin: Sophie Hersberger-Langloh
Lizenz
CEPS, Universität Basel